März 2, 2017Keine Kommentare

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Dienstag
all meine kleinen Teile
Dinge en Detail sehen, die es gilt nicht zu übersehen, die es wert sind gesehen zu werden / als hätte man keine bessere Sache auslösen können; etwas kleines und etwas großes zugleich: man muss die Tatsächlichkeit sehen, mitbekommen

Mittwoch
sie bauen mit einer bemerkenswerten Ruhe an Ein- und Ausgängen, jahreszeitenlang und darüber hinaus; aber es gibt mich hier, wenn man die Tür aufschließt

Donnerstag
ein paar Meter weiter oben kommen ein paar Minuten mehr an Lebensqualität dazu, gepaart mit Zeit, die ich aus dem Fenster starre und Flugzeuge zähle, die in Richtung Tegel donnern; wenn ich durch mich, durch dich hindurchschauen könnte, wäre ich schlauer, etwas, leider fehlen mir dafür die Instrumente und die Maschinen für die entsprechenden bildgebenden Verfahren und dafür die Arbeitserlaubnis
darüber reden, als wäre es tatsächlich möglich / darüber nachdenken, als würde es sowieso nicht klappen / so tun, als wüsste ich genau, was ich wie will
aber: der Versuch, alles so hinzukriegen, dass es auch wirklich funktioniert

und wie viel nimmt man dann mit in Städte, die man nicht so gut kennt, eigentlich gar nicht, die man aber nicht so viel mehr kennt als die eigene Stadt? (hinter jeder Fassade ein neues Leben, vielleicht ist es endlich mal etwas weniger schroff)

Freitag
um dein Herz herum muss nicht immer Grind übrig bleiben
noch nicht einmal eine nässende Wunde von wer weiß wann
wer willst du sein, in mir drin?

(Sylvan Esso - Die Young)

Januar 5, 2017Keine Kommentare

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Fast alle meine Sätze fangen mit “und” an. Als könnte eine Konjunktion, nein, nicht die Große Konjunktion, sondern die am Anfang von etwas und kurz nach dem Ende von etwas anderem, zwei Dinge so zusammenfügen, dass nichts weiter in Frage zu stellen ist.
Das ist so wie die unendliche Frage nach der Sehnsucht nach etwas, was anders ist als das, was du kennst - wie viele Orte gibt es, in dir drin, aus wie vielen Ländern in dir wolltest du schon ausreisen? Hattest du deinen Reisepass nicht dabei oder hast du lediglich die Landkarte vergessen, das Navigationsgerät, das Smartphone? Hast du schon den Kompass gefunden, der zeigt, wo du hinwillst oder schaust du lieber auf die Rinde der Bäume im Wald, wo das Moos dir sagt, wie du dich orientieren kannst?
Erinnerst du dich auch stumm, wenn es sein muss auch mal laut, hast du begonnen zu versuchen die Engramme, die von bestimmten Orten und Personen herrühren, zu zählen? Fragst du dich dann auch, wo exakt du bist, wo und wie oft du bist in den Gehirnen anderer Leute oder in meinem, dem, das sich nicht gern in die Karten schauen lässt, es sei denn man ist tot, im OP oder liegt im CT oder im MRT?

Der Vielzahl potenzieller Dus und Ichs gegenüberstehen und sich fragen, wohin all die Zeit verschwunden ist, die du, man, ich nutzen wollte für das Elementare. Aber was du dir, man sich und ich mir lange nicht gesagt habe, was man uns, jedem und jeder einzelnen nicht mitgegeben hat, sodass es so fest in einem sitzt, dass man es immer im Hinterkopf hat: es geht nicht um das, was du noch nicht kannst oder nicht so gut, es geht um das, was geht, was rollt, was klappt, das, über das du dich freust, was funktioniert.
Bei mir ist da viel, bei dir auch, mindestens. Manches fällt mir leicht. Nämlich Menschen in mir drin ein Zuhause geben, wenn sie einziehen wollen, gern auch auf Zeit. Dann jedoch: sich selbst zusehen, in Retrospektive, wie man sich gegen die Wand fährt, um dann wieder auszusteigen, den Dreck und Schutt abzuklopfen, nur um dann so auszusehen, als wäre nie etwas gewesen.
Es wird auch nie etwas gewesen sein, weil nichts aufhört zu werden.

Dann sind da Tage, da möchte ich dir die traurigsten Dinge erzählen um ausgleichend fragen zu dürfen, was dich umgetrieben hat als Kind, was dein verquerster Traum war, woran du dich erinnern kannst, das dich, auch Jahre oder Jahrzehnte später so sehr zum Lachen bringt, dass du denkst, dir reißt der Bauch auf vor Glück. Möchte all die Fragen stellen, vielleicht sogar in einem Katalog, die mir durch den Kopf gehen, deren Antworten ich wissen will. Dann möchte ich, dass all das bleibt, dass die Reinkarnation der Dus und Ichs aufhört, dass Weglaufen keine Option ist, dass das irgendwann einmal ein Ankommen ist, dass Stabilität in selbstgewählter Intensität den Unterschied macht. Multiple Choice auf Dauer hat noch nie irgendjemandem gut getan.

Später. Dieser auf Selbsterhaltung getrimmte Apparat aber, den jeder von uns für sich allein bewohnt, zwickt mich kurz in die Seite um mich daran zu erinnern, dass meine Batterie ausreichend geladen ist.

(Cat Power - Sea of Love)

Januar 1, 2017Keine Kommentare

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Es gibt da Dinge, die versetzen einen von einem geschützten Ort im Halbschatten in den Keller. So, als würde man die Palmen vom Balkon oder der Terrasse reinholen, rein in Räume, im schlimmsten Fall in Badezimmer ohne Fenster oder dunkelgestrichene Küchen mit Licht nur in den frühen Morgenstunden. Und manchmal sind da Orkanböen, während du auf einem dieser extra schmalen Bordsteine balancierst.
Weißt du, nicht alle Menschen sind so, dass sie alles sagen, manche warten ab und manche haben da etwas, das sie zurückhält. Und, das weißt du vielleicht auch, jeder Mensch sucht sich selbst aus zu welchem Thema er oder sie am meisten, am durchdringendsten schweigt.

Fast nichts mehr fühlt sich so an, als wäre ich irgendwo unter die Räder gekommen, wenn überhaupt ist es so, als würde man mir Decken beim Schlaf auf den Körper legen. Dann braucht es ein paar Tage, bis ich wieder den Weg hinausgefunden habe, dann ist es wieder gut. Das sind meine einzelnen Teile, die es vielleicht etwas verrückt hat, ein bisschen Schütteln, Ausschütteln, Einatmen, Ausatmen und alles ist wieder fein. Ich rede nur nicht darüber.

Aber dann sagst du das eine und tust das andere und ich weiß nicht wieso.

(Locas in Love - Packeis)

Dezember 24, 2016Keine Kommentare

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vor ein paar Jahren
(glaube ich)
haben sie mir beigebracht
wie das geht
mit dem Festhalten
an dem
schönen Leben
irgendwann
sage ich mir
irgendwann

(Immanu El - Panda)

November 29, 2016Ein Kommentar

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Meine Fingerkuppen riechen noch nach Salami, bei Instagram schreiben mir Fremde, dass ich wunderschön sei, ich verstehe den Zusammenhang nicht genau. Je mehr ich die Muskeln um meine Augenbrauen, um die Narbe zwischen ihnen, hinter meinen Ohren, um meine Mundwinkel entspanne, desto mehr zucken sie, desto mehr zuckt eines meiner Augenlider. Das mit den Augen musst du mir nochmal erklären; wie es kommt, dass das eine Auge eine entsättigtere Iris aufweist als das andere, wie es kommt, dass die eine Pupille größer ist als die andere, aber ich werde dich nicht fragen, so viel weiß ich jetzt schon.

Die Uhr meines Telefons geht zwanzig Minuten vor, in einem Versuch, nicht mehr zu spät zu sein. Früher immer die Zeit vergessen, nicht, weil etwas wichtiger war, eher weil ich nicht wusste, wie lang Zeit ist; das ist so ähnlich wie dieses Gefühl, das in meiner Magengegend vor sich her trampelt, damit ich mich endlich darum kümmere, es flüstert sei dir niemals bei irgendetwas sicher, wobei, nein, sei dir bei dir nicht sicher. Egal.

Über mich fliegt die ISS in circa sechs Minuten und alles draußen ist still.

(BRONCHO - Wanna)

November 28, 2016Keine Kommentare

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Da, am Bahnsteig, da, in Wannsee, habe ich sie gesehen, wie sie auf die S7 wartete, wie ihr die Tränen herunterliefen und ich dachte zurück an die Zeiten, in denen ich an Bahnsteigen und in Zügen saß und mir das gleiche passierte. Also fragte ich sie, ob ich ihr helfen könne, also saßen wir ein bisschen nebeneinander und sprachen nichts weiter, also warteten wir auf die Einfahrt der S-Bahn, also setzten wir uns dann schweigend in den Waggon, also stieg sie zwei Haltestellen später aus, also nickte sie mir beim Aussteigen stumm zu. Ich saß eigentlich die ganze Zeit in der falschen S-Bahn.

(#1 Dads - Two Weeks (feat. Tom Snowdon)

November 17, 2016Keine Kommentare

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Am Ende meiner Straße steht das Wasser in einem Graben, Fahrräder rollen durch den Schlamm. Jeden einzelnen Beleg aufgehoben, ähnlich wie die Fotos davon, hiervon. (Und die Metaebene, die prangere ich an.)
J, der sagt, dass man mehr geben als nehmen sollte. Sich bei dem Gedanken zu ertappen, dass sich das Geben potenziert. Sehen, dass Netze funktionieren, die man begonnen hat zur Sicherheit aufzuspannen, vor langer Zeit. Für den Fall der Fälle.

Wollte schreiben, da in der U-Bahn, konnte nicht, auf einer Karte sieht das alles sehr klein aus, als könnte man alles zu Fuß erreichen, als könnte ich das alles mit dem Finger nachfahren, irgendwo, an einem anderen Fluß.

(Alex Cameron - Happy Ending)

November 15, 2016Keine Kommentare

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ein sehr schmaler Grat in meinem Kopf
zwischen
sie wissen nicht was sie sagen sollen und
sie wollen nichts sagen

das Ergebnis bleibt das gleiche

(Caspian - Some Are White Light)

November 14, 2016Keine Kommentare

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In dem Haus, da am Fluss, da in der Nähe der früheren Mauer, der Grenze, da am jetzigen Hauptbahnhof, in dem Haus, das aussieht wie eine Reise nach Hogwarts, wie eine Reise in dieses andere ähnlich dreinschauende Gebäude auf dem Campus der TU Dresden: Stille. Organe und Fehlbildungen und Krankheiten in Glasbehältern, in Aufbewahrungslösung. Ich lerne: es gab ein Spürwildschwein bei der Polizei, ich denke: dann kann auch ich alles sein.

So langsam wissen, welche Orte gemieden, vermieden werden müssen, an welche man ganz dringend gehen muss. Es treibt mich immer stärker wieder in die Arme von Bahnhöfen, früher verflucht, weil kalt und widerlich, jetzt wie in der anderen Hauptstadt an einem anderen dreckigen Fluss: verweilen um die Sehnsucht zu stillen nach Orten und Geräuschen, die nicht hier sind. An Bahnhöfen fragt niemand, wieso man da ist, man kann sehr lange alleine auf Bänken sitzen, Menschen zusehen, wie sie rennen, wie sie sich begrüßen, wie sie sich verabschieden, Sonntags einkaufen, man könnte sie zeichnen, man kann kathedralenartige Architektur verfluchen, kann Musik hören, der Bundespolizei beim Patrouillieren zusehen, man muss kein Ziel haben, man kann Fernweh haben oder Heimweh, je nachdem, wie sehr man den Ort schätzt, an dem man ist.
Am Ende aber, glaube ich, war das dieser eine Blick, vermutlich dieser eine Blick, der in meiner Erinnerung so langsam beginnt zu verblassen, weil ich nicht genau weiß, was dieser Blick mir sagen will. Ich habe noch immer nicht gefragt, ich nehme an, es ist sowieso zu spät dafür.

Zumindest gehe ich alleine vor die Tür. Als hätte ich wochenlang niemanden gesehen, eigentlich habe ich wochenlang niemanden gesehen, aber der Kopf muss frei werden.

Dann laufe ich in ihn hinein und am Ende laufe ich an ihm vorbei. Ein Seufzen entwischt mir unter der lauten Klimaanlage neben den zugigen Fenstern. Es ist alles gut, es riecht ein wenig nach Staub, ich bin noch nicht einmal traurig. Da war auch nichts.

Am Eingang der Dauerausstellung höre ich zwei Frauen laut reden. Sie sitzen auf einem vereinfachten Modell eines Anatomischen Theaters.
“But did you break his heart?”
“Yes, I did, he was so… claustrophobic around me. He would make me feel guilty about doing things without him.”
“Did you love him?”
“Why would I feel bad about it if I didn’t?”
Ich kann sie noch immer hören, da, vor den historischen Gerätschaften früherer Augenärzte, auch noch kurz vor der Hörsaalruine, in der sie Stühle umräumen und bei denen ich mich frage, wieso sie sie unbedingt in einem Sitzkreis arrangieren wollen.

Manche fahren über meine Freunde hinweg wie LKW, halten danach gelegentlich an und schauen sich um. Manche fahren einfach weiter. Die Angst davor, selbst auch wieder überfahren zu werden und die Erkenntnis, dass ich nur begrenzt etwas dagegen tun kann.

(Lea Porcelain - Warsaw Street)

November 10, 2016Keine Kommentare

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Ich habe mir Push-Benachrichtigungen eingerichtet, damit ich mitbekomme, wenn die ISS über meinen Kopf hinweggleitet. Ein wenig Sicherheit in dem da draußen. Wäre ich mal doch lieber nach London geflogen vor ein paar Monaten.

Es geht hier nicht um mich, man kann mich nicht lesen, das höre ich eines Nachts, manche Dynamiken verstehe ich nicht, davor habe ich Angst. Herr C. redet von früheren Überlebensstrategien, ich will aus meinem Kopf heraus.

Mit vier konnte ich lesen und schreiben, Fraktur, da kann man nicht alles verstehen, wenn man die Schriftform nicht gewohnt ist. Achtundzwanzig Jahre lang gelernt, wie ich alles konkret sagen kann, ohne, dass die Kryptik fehlt. Du könntest auch nach dem Schlüssel fragen. Auf der anderen Seite ist es für die Anderen einfacher - ich bin keine Kunstfigur, ich liege schon lange da, offen, man kann in mir blättern, durch mich scrollen und durch das, was ich denke und mich bewegt, bin buchstäblich fast nackt und ihr seid, du bist angezogen. Weiß nur nicht, ob das bei dir ein T-Shirt ist oder ein Wintermantel, unter diesem noch vier weitere Lagen. Diese auszuziehen tut nicht weh, im Gegenteil, das musst du aber alleine, von alleine, sofern du das willst, das macht niemand für dich.

(Meine Laken und mein Bettzeug habe ich geweißt und ich verschwinde darin ein bisschen, alles viel zu groß und zu klein. Ich brauche Menschen in meinem Leben, die damit umgehen können, wenn ich mal traurig bin und die dann nicht einfach verschwinden.)

Früher habe ich mit Liedern geantwortet. Vielleicht dazu auch noch der Versuch, Worte zu verwenden, eigene. Sich vornehmen, nachzuhaken, wenn man etwas nicht versteht, wenn etwas irritiert. Ich gewöhne mich zu schnell an Menschen und Konversationsintensitäten, im Innenhof haben sie vergessen, das Spielzeug aus dem bald gefrorenen Sand zu nehmen.

(Youth Group - Skeleton Jar)

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