

all weather is process 001
Ich habe im Kopf oft ein fertiges Bild davon, wie etwas, an dem ich zeichne, zu sein hat und bin dann frustriert, wenn es nicht sofort so aussieht. Mit Hilfe eines guten Freundes habe ich mir einen Guide verpasst um dem (und dem daraus resultierenden Impostor Syndrome) entgegenzuwirken. Auch werden hier in (un-)regelmäßigen Abständen endlich kleine Einblicke in meine Skizzenbücher, wie oben, kommen, was nicht nur zu Schritt 7, dem "Loslassen können", beitragen soll sondern auch zu einem größeren Verständnis für meinen künstlerischen Prozess und den Humor, der auch darin zu finden ist.
Mir ist bewusst, dass dieser Prozess bei allen künstlerisch Tätigen anders aussieht, die einen (gefühlt) geborene da Vincis oder Rembrandts sind, bei den Meisten aber einfach sehr viele Zwischenschritte dazugehören. Während ich mir beim Schreiben und Fotografieren all die oben beschriebenen Stufen schon längst erarbeitet habe und es für mich oft nichts ist, was ich krass finde, geht es mir beim Illustrieren und Animieren mit dem Veröffentlichen doch zu oft noch ein wenig anders.
In den letzten Jahren gab es sehr viele Momente in denen Fremde / Freunde / Bekannte in meinen Skizzenbüchern blättern wollten, um mehr Einblicke gebeten haben oder schlichtweg das Buch, in dem ich gerade arbeite, aus meiner Hand gerissen und durchgeblättert haben (PSA: macht das niemals ungefragt, bei mir ist es das Privateste, das es gibt). Auf YouTube gibt es Skizzenbuch-Reveal-Videos, andere füttern alles auf Instagram, andere wiederum zeigen nichts davon und bevorzugen es das finale "Produkt" vorzuweisen.
Seit ich mich ausdrücke(n kann), springe ich während der Arbeit selbst oft zwischen verschiedensten Themen hin und her. Gelegentlich zirkle ich tatsächlich in Ringform zwischen mehreren Themen. Wenn ich Glück habe und mich wenigstens ein bisschen konzentrieren kann, sind es Unterthemen oder zumindest verschiedene Aspekte des Gesamtthemas. Wenn ich Pech habe, ist es so, als hätte ich 10 Browserfenster mit je circa 50 Tabs mit YouTube Videos auf voller Lautstärke offen und muss kleinste Teile eben dieser Informationen auf Papier unterbringen oder schaffe gar nichts, weil es immer etwas gibt, das interessanter ist als das, was ich gerade bearbeite. Oder ich lese etwas zu einem Thema, das mich nicht so interessiert, wie es das in dem Moment tun sollte, und starre am Ende nur noch auf die weiße Seite hinter den Worten und der Druckerschwärze, bis ich mich wieder gefangen habe. Im besten Fall aber bin ich auf das Thema und die Aufgabenstellung vor mir konzentriert, sodass ich sehr fokussiert und dann auch sehr schnell arbeiten kann.
Für mich ist das normal und ich kenne es nicht anders: ich bin schnell gelangweilt und profitiere insofern von meinen vielseitigen Interessen, Vorlieben und Ausdrucksformen. Man könnte auch sagen, ich kann mein Gehirn produktiv austricksen. An guten, den meisten Tagen.
Mehr oder weniger stark und abhängig von meiner Tagesform erkennt man das auch in meinen Skizzenbüchern. Seit 2014 fülle ich in Regelmäßigkeit unlinierte Moleskine XL Softcover Bücher (Nachfrage dazu kommt oft). Darüber hinaus verlasse ich das Haus grundsätzlich nicht ohne einen Reporterblock oder zumindest ein A6 Heft und zwei Stifte, um schnell etwas notieren oder skizzieren zu können. Seiten daraus finden dann wiederum ihren Weg in die großen Bücher, nebst Stoffsammlungen, täglichen Tagesschau Themen (sonst findet man in ihnen überhaupt keine zeitliche Einordnung) und Arbeitsprozessen.
Mittlerweile bin ich bei Skizzenbuch No XXIX angekommen, fülle zuverlässig und vollständig eines alle drei Monate. Es sei denn, ich brauche dringend einen Neuanfang - in solchen Fällen bleiben gern 30 Seiten frei. Dafür kann ich dann unbelastet neu anfangen.
Warum also all das hier? Warum darüber schreiben, wie man seine eigene künstlerische Praxis versteht, wie man sie auslebt? Weil es keine falsche Form davon gibt, und weil es fahrlässig sich selbst gegenüber ist, sich mit anderen Kreativen und deren Endergebnissen zu vergleichen, wenn man noch nicht einmal begonnen oder etwas beendet hat. Weil es momentan in meinem Leben einige Bereiche gibt, wo ich merke, dass es mir geholfen hätte, Informationen, die einigermaßen auf ein multidisziplinäres Arbeiten zugeschnitten sind, zu finden. Und auch, weil ich glaube, dass es anderen vielseitigen Kreativen ebenso helfen kann, Herausforderungen und Erfolgserlebnisse gleichwertig abgebildet zu sehen.
Zum Beispiel tue ich mich schwer damit, mich in eine Box zu packen oder mich mit einem eineindeutigen Label zu versehen. Bin ich jetzt "nur" medizinische Illustratorin, bin ich "nur" Künstlerin, bin ich doch auch Fotografin und Schriftstellerin, bin ich "Jackie of all Trades", muss ich "nur" eins sein?
Wie viele und wie tiefe Blicke ich in meinen Arbeitsprozess geben werde, weiß ich noch nicht ganz genau, nur bemerke ich auf jeden Fall seit einiger Zeit schon eins: es kann sehr befreiend sein, loslassen zu können.
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