VIII

Wilmersdorf, September

Du liegst in einem riesigen Plastik-Donut mit Sockel, an dessen Seite Somatom Emotion steht. Du fragst dich, was genau das über einen Computertomographen sagen soll. Die Person mit den Gefühlen liegt in ihm, großer Raum, kaltes Licht, Krankenhaus eben. Trotzdem ist da ein wenig Neugier gemischt mit Ehrfurcht. Klare Anweisungen werden von der Maschine kommen. Einatmen. Luft anhalten. Normal weiteratmen. Du starrst an die Decke, wunderst dich, dass es nicht nach Klinik riecht, die Flexüle in deinem linken Handrücken schabt unangenehm in deiner Vene herum. Du denkst an das Gespräch mit dem Radiologen, es auszuschließen oder es nicht auszuschließen, das ist hier die Frage. Du siehst ihn nur von unten, über Kopf. Als wäre er nur herangeschwebt, um aus der Ecke über dem Ende des Sichtfelds zu erfragen, ob es so dringend sei, eine Lungenarterienembolie auszuschließen. Ein wenig musst du lachen, ähnlich wie auf dem Weg von deiner Hausarztpraxis in die Notaufnahme, als im Rettungswagen das Blaulicht angeschaltet wird. Nenn es Überforderung, wenn du willst. Du wirst den Radiologen nach dieser Frage nicht mehr wieder sehen.

Mit Druck landet dann das Kontrastmittel in deinem Körper; der Pfleger hatte dich schon davor gewarnt, wo es sich wie anfühlen wird, du erschreckst dich ein wenig. Es verteilt sich sehr schnell in deinem Körper, schneller, als du es erwartet hattest. Ein schwer beschreibbares Körpergefühl. Dann ist das alles vorbei, du hättest zu gern die CT-Aufnahmen mitgenommen, deine Lunge und dein Herz hättest du sogar gerahmt.
Es wird am Ende eine Notiz eines unauffälligen Befundes auf einem Arztbrief mit vielen Blutwerten, die du später im Versuch eines Verstehens in eine Tabelle mit anderen Blutwerten übertragen wirst. Du weißt schon, Tendenzen, Referenzrahmen. Die Hämatome um die und unter den Einstichstellen der Flexülen wirst du noch Wochen später sehen.
Das war dann also "lediglich" dein Herzmuskel und dessen Entzündung, das ist er immer noch. Das ist Herzrasen, der unvermittelte Abfall deiner Herzfrequenz, ein aus dem Takt geratenes Hochfahren. Das ist die unvermittelte Synkope. Immerhin keine LAE.


Stuttgart, September

Über der von Wänden umzäunten Zone voller Teppich und unbequemen Sitzmöglichkeiten hängt ein Schild, auf dem "Success Lounge" steht. Vegetarisch bedeutet hier zumeist Baguette oder Brötchen mit Käse, Tomaten und Gurke.

Berlin, Oktober

Auf dem einen Plakat im Bahnhof steht es sei Cuffing Season; an den Häuserfassaden suchen die Wespen Einlass.

Sich eingestehen, wenn es Zeit ist, eine Idee hinter sich zu lassen. Dir fällt eine Last von den Schultern, die du nicht adäquat vermitteln kannst. Vielleicht, weil das Warten viel schlimmer ist, wenn es auf beinahe unbekannte Sicht in deinem Leben steht, ohne Garantie auf Auflösung. Als würdest du, würden sich deine Teile erst so zusammen schieben, zusammen schieben lassen wie Schiebepuzzle. Als hätte es die Zeit gebraucht. Bewusste Entscheidungen treffen, mit Wissen um die Extraarbeit, die es immer gelten wird zu leisten. Im Vergleich. Es geht dir dabei so gut wie noch nie zuvor in deinem Leben. Beinahe so, wie Hesse es schrieb.
Dann fängt eben - zum Glück - etwas Neues an.

Totally Enormous Extinct Dinosaurs - When The Lights Go

Dev & Scan: Foto Labor Service Görner, Dresden