III
Du fragst dich wie viel Leben in wie wenige Jahre gestopft werden kann, wie viel täglich verlorengeht an dem, was hätte werden können. Das kann niemand mehr gut trennen von dem Alltag, der für gewöhnlich alles überdeckt, was auch nur im Ansatz nach Weltereignis schreit. Es bleibt nun wieder, wie seit Wochen: die Worte gibt es, nur die Sprache fehlt. Ein Vorhang fällt nach unten, er hebt sich nicht mehr komplett.
Eventuell sollte exakt jetzt geschrieben werden. Schreiben als Muss, als Beschreibung, wie all die Zeit zuvor schon. Du denkst an Nünning, denkst dir, dass das doch von allen nur als unzuverlässig erzählte Geschichte bewertet werden kann. Falscher Pathos hat nun keinen Platz. Wenn schon keine Worte, dann wenigstens Zeichnungen: mechanisch, Schema, genau, mit weniger Emotionen verbunden. Mindestens, immerhin das, etwas allgemein gültiges, das alle betrifft, alle gemein haben, in allen so oder so ähnlich funktioniert. Wenn sie leben.
Da in der Straße, in der zwei Adler direkt nebeneinander liegen, unironisch jeweils um I und II erweitert, werden derzeit die Spuren von Jahrzehnten entfernt. Stammhaus Lieblingscafé, ein bisschen alter Glanz, das riecht nicht nur in den Toiletten so, das sieht man im Alter der Spiegel; im Sommer der alte feine Schotter in den Schuhen, hohe Decken. Ginge es nach Etagenhöhe, hätte deine Wohnung ein Grand Hotel werden können. Meter weiter Fassaden mit Glas über zwei Etagen, die im Beton verankerten altmodisch ausschauenden Heizkörper ähnlich hoch. Kisten, die sich in der Spiegelung des Sonnenlichts der in die Jahre gekommenen Häuser gegenüber auftürmen. Ein paar Meter weiter noch die Reste von Liebe, Sex und Träumen, ein heruntergekommener Industrie-Hinterhof, der so gar nicht mehr in die Gegend passen will. Eine Krähe hackt einer Taube eben doch ein Auge aus.
Träge schiebt der Frühling sich selbst an, die Mäntel noch farblos vor lauter Kälte. In der Sonne sitzen, da an der Ecke, wieder, die Notizbücher in den Taschen. Backstein, gelegentlich. Und es weht das Moos vom Dach, kein Asphalt mehr aufgebrochen von Eis, der Kanal ruhig, beinahe müde. In Kreisen ziehen, den Radius erweitern, die großen Zehen außerhalb des Gewohnten. Von Altem Abschied nehmen, im Guten, es in sich arbeiten lassen, weitermachen. Eine Idee, wie das Leben, das du erreichen, dir erarbeiten willst, gelebt werden will, hast du schon länger. Checklisten, die dich daran erinnern. Du, wie du dich daran erinnerst: du hast lange genug gewartet. Aber ein Beginn will eben ebenso angefangen werden. Things do accumulate.
Dev & Scan: Foto Labor Service Görner, Dresden
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