
37
Sich an die Wand spielen bis es nicht mehr geht, darüber denkst du ziemlich oft nach. Du könntest schreiben auch mit einem anderen Ausdruck deiner Wahl ersetzen, darum geht es nicht. Hast zu oft Zitate gelesen, die du Jahre später aus heiterem Himmel wieder erinnerst und erst dann einschätzen kannst.
Du stehst mit K in einem Buchladen einer gefühlt kleinen Stadt, draußen Sonnenuntergang, musst beinahe sagen, dass es viel zu schön ist. Ihr geht die Buchrücken vor euren Augen durch, du siehst ein paar, ziehst den Schluss, dass es die eine oder andere schreibende Person im Regal stehend gibt, die die gleichen Konflikte immer und immer wieder beschreibt. K erwähnt, dass das die meisten machen; sie hat recht, irgendwie machst du das auch, macht exakt das jede Person. Bis es gut ist. Als würdest du einen Film sehen, in dem Matroshka um Matroshka auftaucht. Whack-a-Mole, nur krasser.
Du stellst dir fast jeden Tag eine Frage, verpackt als „wirf eine Münze“; deine aus der Antwort kommende Freude, Gleichgültigkeit oder Enttäuschung zeigt dir, wie sehr du eine gewisse Antwort mehr schätzt. Bis es gut ist. Eventuell ist es gut. War es schon immer, mindestens im Grund der Dinge. Du denkst an deine früheren Städte, da fiel wirklich sehr viel sehr gut an seinen Platz, trotz allem.
Nach dem Gang vor die Hunde.
Ruhe, dann, das Nachhaken, als hätte niemand von uns so richtig gewusst wie das geht. Hier einer, der tanzt: im Hintergrund Jazz, oder so ähnlich. Die Zwanziger, dann Dreißiger, im Theatereingang eine übrig gelassene leere Flasche. ICE, S-Bahn-Bogen, ein Mann ohne Obdach in einer Schneise aus Backstein.
Uringeruch peitscht durch die Nase. Gelegentlich sind 0,1µm zu wenig.
Das Grün hinter dem Haus der Eltern, du erinnerst? Diese Art der Stille, glaubst du, genau diese. Die Schächte und Bahnhöfe könnten die gleichen sein. Und manche Menschen ebenso, ja, so wie Schmirgelpapier nach außen und doch ganz viel Blut im Inneren; wie ich. Wie du.
Wie beschäftigt alles sein kann, wieder dieses viel zu laute Zerren auf Schienen. War das so, wie du es dir vorgestellt hast? Klingt es so, wie du dachtest, dass U-Bahnen klingen?
Ist es so wie an der engen, der furchtbaren Kurve an der Zwinglistraße? Stockt es gelegentlich noch so?
Der eine fährt in der beklebten Dunkelheit seinen eigenen Film, die andere schreit ins Telefon um verstanden zu werden, wenn schreiben einfacher wäre. Wieder ein anderer durchsucht die Stadt nach Kleinanzeigen.
Holz, nicht dunkel, VEB Deutsche Werkstätten Hellerau, gut erhalten. Die Ruhe, wenn etwas vorbei ist und das ohrenbetäubende Ziehen und Klirren der viel zu alten Neonröhren. In der Maske hängt ein paar Meter weiter fest, wie es nach Bratfett oder schlecht gedrehten Zigaretten gerochen hat.
Es will einfach nicht aus dem Kopf heraus. Verdammt nochmal, Erich. Du bist diese Sehnsucht nach deiner Geburtsstadt nicht mehr gewohnt.
Dev & Scan: Foto Labor Service Görner, Dresden
No comments.