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Aber du hast so oft am liebsten nach oben gesehen. Irgendeine Formation muss da schon irgendwo zu sehen sein, Punkte, die sich verbinden lassen wie auf Haut, wie auf Papier, wie an Hauswänden. Da war auf einmal der Große Bär auf deinem Oberkörper, Brustkorb, Sternum, du weißt schon. Wer hat so wirklich hingeschaut?
Es ist irgendwie immer etwas zu finden, das es neu zu wissen gilt.
Nicht nur etwas anschauen sondern tatsächlich bemerken, was vor oder neben einem ist. Hinsehen, so richtig. Wiedergeben von Begebenheiten in Fragmenten, deine Lieblingsdisziplin. Sammelst scheinbares Trivia, das du in den Raum werfen kannst, wenn es dir angebracht scheint. Sternschnuppen, langgezogene, am Firmament. Irgendein Sitzen auf Holzbänken oder Bänken aus massivem Stein, sie strahlen noch die Wärme des vorhergegangenen Tages aus.
Es hätte dir gut gefallen können.
Beginnen, wieder das erste Mal von irgendetwas. Als hättest du vergessen, als könntest du nicht überschreiben. Vielleicht würdest du generell bei einigem gern von vorn anfangen. Formationen, Pulsar. Pluto. So wirklich tote Punkte gibt es nicht, weder unter deinen Fingerspitzen, auf deinem Brustkorb, noch vor dir. Nicht nur das Gefühl, alles erneut und neu zu erleben, vielmehr der Wunsch danach. Wie viele Osteoklasten haben sich durch deine Knochen gearbeitet, wie viele Osteoblasten haben sie wieder aufgebaut?
Lass einfach so vieles und ein paar Menschen von Neuem kennenlernen.
Den Geruch von metallischem Staub hattest du lange nicht mehr in der Nase. Da war erst ein einsturzgefährdeter Kellerraum, oft unter Wasser oder nicht betretbar, weil dort unerwünscht. Später irgendeine Garage, dann irgendein leerstehendes Haus, dann bei manchen ein gut eingerichtetes Studio, vielmehr ein Teil Wohnraum.
Ein paar Jahre früher und Etagen weiter oben brüllt deine Musiklehrerin auf dich ein, weil du keine Geduld hast für die Tasten vor dir oder eher für das, was sie von dir hören will. Dich beruhigt all das schon, stellt dich emotional ein, aber eben nicht so sehr und unmittelbar wie Worte, von denen du denkst, dass du sie nicht so sehr erklären musst. Also hörst du auf auf Tasten zu starren. Nur was für ein Irrtum das mit dem Erklärenmüssen bleibt, egal in welchem Medium. Musik als für dich wichtiger Stimulus ohne Doppelbelegung. Arbeit mit Händen und Kopf, gelegentlich ist da noch ein Drang übrig. Du weißt, was du magst, warum du es magst, kannst das selbst aber nicht, du lässt Gefühle gern in dir auslösen und steuerst dich so, kuratierst, entscheidest, wie leicht du in deinen persönlichen mehrere Stunden andauernden Flow hineinkommen kannst.
Das tatsächliche Machen überlässt du lieber denen, die gut darin sind oder sein wollen.
Jahrelang hast du stattdessen irgendwelche Interpretationen, Atemübungen, Chorfahrten mitgesehen und mitgemacht. Du fühlst dich meist viel zu laut. Konsequenterweise hältst du dir bei den Proben zuhause lieber Kissen vor den Mund, anstatt andere zu stören, und wählst Musik trotz Spaß und guter Note vorm Abi ab. Schließlich kannst du kein Instrument spielen. Du musst nicht in allem gut sein, nicht in allen Bereichen eine Jackie of All Trades. Das kann man sich heute auch öfter sagen. ii-V-I. Scheinbar priorisierst du anders.
LCD Soundsystem - All My Friends (Franz Ferdinand Version)
Dev & Scan: Foto Labor Service Görner, Dresden
Film: Fotoimpex CHM 400
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