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Du siehst den ICE gen Süden unter den Park tauchen, manchmal ist es auch nur ein IC. Die U2 liegt wie immer in der Kurve, du atmest dir die Brillengläser undurchsichtig; im Hintergrund Türme im Home Office.

Die einen nennen es Diagnostikbogen, die anderen nennen es vorgehaltenen Spiegel mit Selbstreflexion. Wie dich deine Familie nicht oder nicht mehr kennt, vielleicht auch noch nie kannte; wie es dich kurz trifft und es dir dann fast schon egal ist. Du schriebst jemandem vor Monaten, dass man fordernd und gleichzeitig passend sein kann; du meintest nicht das Negative, vielmehr das gute Intensive, nach dem man greifen mag. Jetzt schaut es dich selbst und wieder in Papierform an. Die Fragebögen vor ein paar Jahren waren etwas sanfter, netter, und du damit auch etwas netter zu dir. Kommt irgendwann auch eine echte Schippe Erleichterung, so, wie sie dir damals in der Hohen Straße in Dresden entgegenkam? Hast du danach auch auf die Gleise gestarrt, die gen Hauptbahnhof führen und dir gewünscht, du könntest jetzt wirklich einfach wegfahren? Nicht, um vor dir selbst zu fliehen, eher, um mehr zu dir zu kommen. Eventuell schreibst du en Detail über all das, all das von heute, der Woche.

Die Ruhe nach dem Ausatmen, die Sonne zieht wie erwartet in schönsten Strahlen über die roten Dielen mit den viel zu großen Zwischenräumen. Du wirfst die billigen Pinsel aufs Papier, ziehst noch nicht mal wütende Linien mit Tusche nach oben und unten. Die wirklich wütenden Linien, die du in JAH Form aufs Papier geschmissen hast, weil du keinen Bock darauf hattest für umsonst einen Teil zur Schul-C.I. beizutragen, werden immer noch als das Logo deines früheren Gymnasiums verwendet. Du musst weiterhin darüber lachen, selbst sechzehn Jahre später.

Animal Collective - My Girls

Dev & Scan: Foto Labor Service Görner, Dresden
Film: Kodak Portra 400