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Plattentektonik VI
Es gibt manches zu dem es sich ruhigen Gewissens lohnt zurückzukehren. Große Schritte der vergangenen Jahre in ungeordneter Reihenfolge: das Ablegen der Alter Egos und Annehmen des eigenen Namens, von in dichter, massiver Fiktion gebetteten verarbeiteten Eindrücken zu dem puren Beschreiben von Leichterem. Ein Nachzeichnen von Licht, ein Abkehren vom Schreiben als Du, dann ein Schreiben hin zum Ich. Und jetzt ein Zurückkehren zum Du. Genau das ist es dann aber, dieses Weiterschreiben, das Sehen, das Lernen des Sehens alter Dinge, eingestaubter. Das Aufschreiben von Gedanken, das Beschreiben, sich Erinnern-Wollen der Worte, die Andere vergessen festzuhalten. Die legst du stattdessen in eine Schale, eine aus Papier oder Pixeln, sodass sie sich lesenden Augen zuneigen können wie die Pflanzen auf dem Fensterbrett zur Sonne.
„Methodik“ des Schreibens. Aber auch du musst warm werden, üben, das ist wie beim Illustrieren oder Musizieren. Ist es dann aber die Hand, die du warm schreiben musst oder ist es das Hineindenken oder Hineinfühlen in die Lage? Gelegentlich will es einfach nicht, dann schmeißt du Papier durch die Gegend, gehst eine Runde, atmest durch und lässt einfach wieder geschehen. Vielleicht ist das der Unterschied.
Vielleicht ist ein weiterer Unterschied, was genau beschrieben werden soll. Wie viel Knausgård kann jemals in dir anspringen? Wie ist es mit der Sicht nach draußen, durch wie viele und welche Schichten siehst du? Sind da zwei alte Flügelfenster mit starren Griffen, bei denen es lohnt, sie bald in Terpentin einzulegen und die es mit einigermaßen Aufwand aufzumachen gilt oder braucht es nur den Plastikfenstergriff, dessen Quietschen sich nachts durch die Innenhöfe lärmt?Das Trennen von Werk und Schreibenden. Wie sehr ist das überhaupt möglich, wenn Sprache viel, wenn nicht gar das Meiste, von dem formt, was ist. Was „man“, „ich“ ist? Wie sehr formt das, was an Worten in dir ist, in welcher Sprache auch immer, das, was du bist? Folgt die Sprache dem Charakter oder ist es umgekehrt?
Der Wurf zum Schreiben hin als Wurf zum Verstehen.



Was hat dir das Gehen durch Krankenhäuser gefehlt. MNS mindestens, sonst OP-Masken überall. Du lächelst Andere mit deinen Augen an, über dem einen Eingang klebt noch RUHE BITTE über der Glastür, ausgedruckt als je ein Buchstabe pro DIN A4 Blatt. Teilweise stehen die Türen offen für Fachgespräche der Radiologie. Denken an den Dozenten mit den Büsten im Raum auf dem anderen Campus und wie er, während die Vorlesung zu Notfall- und Katastrophenmedizin lief, leise hinter den Vortragenden zu seinem ein wenig schief stehenden Schrank ging und sich seine Kleidung herausholte. Nur um in voller Fahrradfahrermontur in die winterliche Dunkelheit zu verschwinden.
Immer und immer wieder der Wunsch nach dem Beginnen, nach guter Lehre. Das Sich-Selbst-Motivieren als Gang in Bibliotheken, als das Sitzen an Schreibtischen, als das Gedanken-Verloren-Sein und Starren darauf, wie Licht durch die Souterrainfenster fällt und an den teilweise leeren Metallregalen durch den nach Druckerzeugnissen unterschiedlichen Alters riechenden Raum wandert.
Dein Blick wandert zuhause zwischen Bildschirm, dem kleinen Spiegel hinter dem Bildschirm, der dir erlaubt, dir in die Augen zu sehen, und einem kleinen Zettel, auf dem „DON’T SELF-SABOTAGE“ in roter Schrift geschrieben ist, hin und her.
Es wird Winter, Skizzenbuch-Zeit. Sich freischreiben, festschreiben, freizeichnen, festzeichnen und den Finger auf den wunden Punkt legen. Du bist mehr Stargate als Maneater, noch immer.
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