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Im ersten Waggon einer U3 gen Warschauer Straße sitzt jemand hinter der ersten Tür links, der dich an einen französischen Schauspieler erinnert. Einen, den du vor kurzem oder auch vor längerem in einem Film gesehen hast. Er schaut dich etwas verdutzt an, es erkennt sich kein Gesicht so wirklich im anderen; Glück gehabt. Ein paar Meter weiter steht sehr verloren und erschöpft ein Mann, der eine Zeitung mit dem Titel "Würde" in der Hand hält. Bevor du dir die Frage stellen kannst, ob er Hilfe braucht, steigt er aus und schlurft den Bahnsteig des Nollendorfplatzes entlang. Der Zug fährt erst langsam, dann schneller an und du bist dir sicher, dass er jede freundliche Geste hätte gebrauchen können.

Der Schlag in deine Magengrube ist noch spürbar, er hat sich aufgebaut über fast zwei Stunden, zwischendrin als hätte alles gebrannt. Ein sich nicht satt sehen können an Farben, Unbarmherzigkeit im Schlamm.
Du kannst die Treppe vom U-Bahnhof gar nicht so schnell hochrennen, wie du glaubst frische Luft atmen zu müssen. Im Europaparlament singen sie Auld Lang Syne und dir hängt dieses Gefühl hinter den Schulterblättern, das langsam nach vorne zu den Schlüsselbeinen klettert. Alles ganz dringend, du beeilst dich so schnell du kannst nach Hause zu kommen. Bleib in dem Modus, bleib da drin, nicht ablenken lassen; das muss alles raus, nicht nur alles auf einmal - vielmehr das, was selten aus deinen Fingerspitzen konnte. Es kann gar nicht so sehr drücken und schieben wie du fühlst, dass es das mit dir tut.
Der Fremde, der von der Polizei abgeführt wird, weil er auf einen anderen eingeschlagen hat, da an der Kreuzung, da, wo die Neonröhren schreien, da, wo sie vor der öffentlichen Toilette aufeinander warten. Der andere Fremde, der dich an der Kasse mit Worten versucht auszuziehen und dabei nur mit seiner Einsamkeit spricht.

Ein Gefühl, als würdest du gar nicht so schnell schreiben können wie du es willst. Linien dünn, du kannst das Rinnsal noch an den Wangen sehen.

Das hier ist ein großer Anfang, oder?

Codes in the Clouds - We Anchor in Hope & Thomas Newman - The Night Window

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