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Du sitzt im Wartezimmer und hörst PatientInnen dabei zu, wie sie versuchen sich gegenseitig mit ihren Erkrankungen zu überbieten. Freundlich, bestimmt, oft um Mitgefühl suchend. Gedanken an deine Großmutter, wie sie sagte, in ihrem Alter rede man nur noch über Krankheiten, todbringende Krankheiten oder den Tod. Im Wartezimmer der Orthopädie hat die eine eine „neue Hüfte links“, der andere eine „neue Hüfte auf beiden Seiten“ und nickt dabei um Bewunderung bittend. Du denkst an dein Rendezvous mit einer Schranktür, den Durchgangsarzt und den Handchirurgen davor, der der dir erzählen wollte, es gäbe keinen superficialis Strang vom Nervus radialis, während deine komplette Hand kribbelte und musst lachen, weil du nicht genau weißt, was das am Ende zur Folge hatte. Eine weitere Person kommt dazu, erzählt von ihrer Knie-OP. Im Rücken der nächste Innenhof, da schwimmen Fische in einem Aquarium, um das Barpersonal in kleinem Ensemble eine Art Ballett tanzt. Die Dame gegenüber versucht Rezepte aus einer Zeitschrift zu fotografieren, der Ton ist an. Du möchtest ihr helfen.
Gelegentlich ein laut forderndes „Guten Tag“ und Menschen, die aufstehen und fragen, wieso sie seit fünf Minuten warten. Du denkst an MRSA, die verschiedenen Hüftgelenkimplantate und fragst dich, wieso der einzige jüngere Mann sich so neben dich gesetzt hat, dass er dir die ganze Zeit ins Gesicht starren kann.

"Sie haben einen wunderbaren Gelenkspalt; es ist schön, mal gesunde Knie zu sehen. Weiter Krafttraining, Faszientraining. Und stellen Sie sich beim Zähneputzen immer mal auf die Zehenspitzen, dann klappt das weiter mit dem Laufen."

Im Atrium zwischen den Arztpraxen sitzen die Menschen mit Bierflasche oder mit Hund und warten. Manche telefonieren, bis andere sie anfauchen wie enttäuschte Katzen.

"I could've missed it, I never knew
Chain reaction but you're holding the fuse"
(Sylvan Esso - Die Young)