E. sagt, wenn sie an dich denkt, denkt sie an Knoppers und hat dir knoppersartige Waffeln aus Wien mitgebracht. Eigentlich lachst du, dann stellst du dir vor, wie du dir bald ein angemessenes Kleid kaufen musst. Wie du dich beim letzten Mal so gefühlt hast wie ein im Dunklen leuchtender Weihnachtsbaum, alternativ wie ein Vampir.
Du denkst daran, wie sie dir sagen, deine Haut sei sehr weich, du denkst daran, wie du dich früher durch die Gegend geschleppt hast wie eine offene Wunde. Warst verwundert, als nichts mehr wehgetan hat; wann es aufgehört hat wehzutun, weißt du nicht, vielleicht vor einem Jahr. Du lernst neu zu sehen, machst das seitdem fast wie Malte Laurids Brigge. Kein Panther mehr sein.
Ein paar Klicks auf einer Website und du beginnst ungläubig zu weinen, obwohl gerade erst alles beginnt. Vielleicht weinst du, weil es um etwas geht. Generell hat man ja eher Angst, wenn es so ist. In dir drin bebt es immer noch, du willst immer noch nichts und niemanden verpassen, was und der etwas in dir anspricht, von dem du in der Art nichts wusstest. In deinem Kopf Ebenen, denen du gelassen entgegensiehst. Das muss dieser Moment nach dem Sturm sein, dem in einem selbst.
Dem Mann am anderen Ende der Kreuzung siehst du dabei zu, wie er sich über den Bauch streichelt, du denkst an Viszeralfett, an Stammfettsucht und betrachtest dein Profil in einer dieser unsäglichen Werbetafeln, die in der Nacht meist aufhören zu leuchten. Du kannst kaum noch zeichnen, du beginnst in Fachbegriffen zu denken.
Dann der Jahrestag der großen Flut und wie diese eine dreiköpfige Familie in ihr verschwand und du seitdem ihre Briefe nicht mehr in die Hand nehmen kannst. Du willst den ganzen Abend über mit niemandem reden, eine Art Schuldgefühl kriecht dir die Haut von den Lenden zum Hals entlang; keine Gänsehaut, nicht einmal das, etwas verwandtes.
Im Buchladen suchst du nach Namen, die du schonmal hast durchblättern wollen, bei dem einen kleben die Seiten zusammen, bei dem anderen lachst du schon auf der ersten Zeile vor Hilflosigkeit und ein bisschen selbst erlebter Fremdscham. Der dringende Wunsch zu schreiben, gleich, also dann in der U-Bahn auf dem Weg nach Hause. Die laute Stadt erreicht dich, bevor du genug Ruhe gefunden hast; ein paar Muster dieser Hauptstadt und ihrer Einwohner haben sich in dein Bewusstsein gedrängt. Die Frage, ob das Angst oder etwas ähnliches bis anders gelagertes ist. Du weißt es nicht, traust dich aber auch nicht nachzuhaken.
Du beobachtest die Mikrobewegungen der Muskeln in deinem Gesicht, eine Reihe aus Neugier und Reaktion auf die Musik, die im Hintergrund läuft. Im Treppenhaus Spuren von den Leuten, die sich mit dir ein Gebäude teilen - du siehst sie selten; an der Wand neben dir Aufnahmen deines Gehirns, dem, von dem du manchmal gerne wissen möchtest, wieso manches sich unnötig verkompliziert und wieso es so lange gedauert hat, zum jetzigen Stand zu kommen, von dem du nicht weißt, was du über ihn erzählen kannst, weil du ihn erst seit kurzem als so angenehm wahrnimmst.
Dann wieder Bilder der großen Flut, du tanzt dich aus der Starre hinaus, hast kaum jemandem davon erzählt, weder damals noch jetzt. Nicht alles ist so eineindeutig wie der Tod einer Person.
Der Herbst wirkt wie eine Drohung. Irgendwann fragst du all die Fragen, die du fragen willst. Frag sie doch vielleicht jetzt schon, die Zeit beeilt sich zu sehr.
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