In meinem Pass steht etwas von blau-grau, ein paar Nummern unten und oben rechts. Ich frage mich, was die Handwerker, die unsere Heizung repariert haben, die ganze Zeit machen. Das Wasser plätschert jetzt nur so durch den Heizkörper.
Gelegentlich das Gefühl, alle finden bald heraus, dass ich das, was ich kann, eigentlich nicht richtig kann. Hochstapler-Syndrom, nichts da mit ICD-10 oder dem DSM-V. Lebensgefühl, Lebensbefürchtung. Seit fast fünf Monaten medikamentenfrei, im Kopf allerdings schon lange an einem anderen Ort.
Ich dünste Gemüse, kaufe frisch ein, halte Ordnung. Morgens wache ich auf ohne mich zu fühlen als hätte ein Traktor mich überrollt. Meist stehe ich nicht auf, wenn ich das erste Mal meine Lider für den Tag öffne. Auf meinem Nachttisch ein Wecker, der meinen Vornamen trägt und unangenehm laut tickt und noch viel schlimmer klingt, wenn er läutet.
Die Frage früher, also damals, wie die normalen Leute planen und sich motivieren und wie sie erkennen, dass sie Ziele haben. Ich möchte wissen, wie es denen geht, die ich kurz kannte. Jahrestage, die sich überschlagen, Besuche, Bedauern, Retraumatisierung, ein geplatzter Knoten. Zwei Bücher in Erinnerung. Eines, da war ich vier und konnte Fraktur lesen und schreiben - Märchen; eines, da war ich sechs und wollte mir die ganze Zeit Krankheitsbilder ansehen, auch wenn ich von den Erläuterungen eigentlich nichts verstand: Psychrembel. Jetzt bedeutet elf Auflagen später.
Auf meinem Ausweis steht etwas von blau-grau, ich frage mich, ob sie nie richtig hingesehen haben. Mein Gesicht als Hologramm, daneben, Haare wie ein Helm. Im Spiegel ist da Wald und an einigen Tagen in besonderem Licht auch Beton, am anderen Ende von diesem Kranz um den Lichtstrahl wohl vom Namen her mehr waldartiges.
Ein Jahr und letzte Stufen Abgrund bevor die Genesung so richtig einsetzen konnte. Teilweise Fremden dabei zusehen, wie sie über meine klar gezogenen Grenzen trampeln, sich fragen, was Menschen dazu berechtigt, dass sie in Leben preschen. Ein Jahr, in dem ich auf die harte Tour gelernt habe, was toxisch ist, was auf die Rückbank gehört und irgendwann zu vergessen ist. Denken und sich lieber erinnern an das und die, die nie nur Dickicht oder eine exotische Topfpflanze sahen.
Weißt du, in meinem Gehirn gibt es einen eineindeutigen Ort, in dem du wohnst, im besten Fall lebst du in mehreren. Vielleicht ist das der Spuk, von dem manche sprechen. Deine Ecken und Kanten konnte ich nie ganz ausloten, meine waren eher wie der Marianengraben. Weißt du, der Konjunktiv ist niemandes Freund, aber besser ein Lernen im Großen und Kleinen als ein langsames Ablösen.
Weißt du, große Fenster sind mein Fluch und mein Segen zugleich. Möglicherweise ist das hier das größte Fenster, das ich habe. Früher, beinahe ein von außen auf mich selbst sehen, eine Rekonstruktion von Teilchen, die in Chronologie nicht immer ein Ganzes bilden.
Ich wollte dir hier in Regelmäßigkeit etwas hinterlassen, eine Art Haltegriff, eine Art warme Decke. Weißt du, es gibt mehrere Versionen von dir, du bist alle Personen, die ich kenne, du bist nur eine Person davon.
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